Zeitlos gegen Zeitgeist

Liebe Volksmusikfreunde,
wir leben momentan in sehr bewegten Zeiten. Die Welt sei angeblich kleiner geworden. Als Grund wird das schnelle Überbrücken von großen Entfernungen durch technische Errungenschaften angeführt. Es stellt sich die Frage, was die Menschheit dazu bewegt, einen Goethe-Vierzeiler fast zur Gänze zu ignorieren. „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da!“. Regionalität in vielerlei Hinsicht ein „alter Hut“?
Sicher ein bedauerlicher Irrtum, nicht zuletzt wegen der Forderungen nach Fortschritt – und wir müssen modern sein und mit der Zeit gehen. Appelle zur Modernität haben allerdings
nicht immer zu einem Fortschritt, aber durchaus schon oft zu einem schmerzhaften Verlust geführt! Manch feiner, sinniger Brauch ist tatsächlich mit der Zeit gegangen. Nach getaner Arbeit bei schönem Wetter ein gemütlicher Heimgarten auf der Hausbank, bei ungünstiger Witterung in der guten Stube? Wer lässt sich schon gerne stören bei den Meldungen aus aller Welt, die den gestressten Bildschirmbetrachter angeblich korrekt informieren? Und die Jugend unterhält sich statt mit dem Schnabel lieber mit flinken Fingern, die die Tasten der Kommunikationsmaschinen in unglaublicher Geschwindigkeit bedienen.
Aber ganz so hoffnungslos darf man es nicht sehen, denn es gibt sie noch und immer wieder, die ich hier als Zeitgeistverweigerer betiteln möchte. Das sind jene jungen Menschen, denen manch Altvorderer zum Vorbild dient. Und wenn die Jugend versucht, die Alten nachzuahmen oder gar zu übertreffen, dann ist auch die „Sache“ Überlieferung der authentischen Volksmusik kerngesund. All diesen jungen Musikanten und Sängern sei die gleiche Freude herzlich vergönnt, die ihre Vorbilder erfahren durften.
In der alpenländischen Volksmusik können wir dank weitsichtiger Kunst- und Kulturkenner den Klangspuren unserer Vorfahren folgen. Besondere Beachtung findet hier das Archiv des Bayerischen Rundfunks, das bestens gefüllt ist mit vorbildlichen Aufnahmen von Sängern und Musikanten, die Lieder
und Melodien vorgetragen haben, die tatsächlich nicht zeitgebunden, vielmehr eher zeitlos und unvergänglich scheinen.
Der Zeitgeist stellt diese klingenden Kostbarkeiten gerne immer wieder einmal in die verstaubte Ecke, aus der sie jedoch mit unaufdringlicher Beharrlichkeit immer wieder ihre Strahlen durch alles modische Gerümpel senden. Viel Wind wird um manchen Ramsch gemacht, dem oft die Flaute auf dem
Fuße folgt. Solche Kurzlebigkeit ist nicht die Sache der alpenländischen Volksmusik, trotz oder gerade auch wegen omnipräsenter Forderung nach dem Blick über den Tellerrand.
Wir dürfen Sie, liebe Volksmusikfreunde, nun wieder einladen zu einem Blick zurück in eine lebendige Vergangenheit.
Ermöglicht hat dies in erster Linie Stefan Frühbeis, ein treuer Wächter und ausgezeichneter Kenner der volksmusikalischen Schatztruhe des BR. Ein herzliches Vergelt’s Gott auch Herrn Kurt Schädler aus Baden-Württemberg, Herrn Markus Fecke aus dem Sauerland und Herrn Rudi Gerold aus Oberbayern
für die großartige finanzielle Unterstützung. Ohne deren großzügige Hilfe wäre es dem BAVV nicht möglich gewesen, die „Vorbilder 3“ auf den Weg zu bringen.
Und jetzt darf ich Ihnen, liebe Volksmusikfreunde, das Gleiche wünschen, wie es mir persönlich beim ersten Zuhören auch dieser dritten Ausgabe der „Vorbilder“ ergangen ist. Der unruhige Alltag rückte in weite Ferne, es wurde augenblicklich warm im Gemüt, und große Freude und ein bisserl Stolz gesellte sich dazu, der großen Familie der Volkslied- und Volksmusikfreunde anzugehören. Und falls Sie noch überlegen, was das Christkindl bringen soll … heuer können Sie bei uns aus dem Vollen schöpfen. Die „Vorbilder 3“, der großartige Bildband „Auf alten Wegen“ und das wunderbare Liederbüchl von Heinz
Neumaier!

Wertvolle Dinge zum wertvollsten, der Gesundheit, was mein Wunsch an all unsere Leser und Freunde ist und den ich auch im Namen der Vorstandschaft und Redaktion des Bairisch-Alpenländischen Volksmusikvereins übermitteln darf.
Herzlichst, Ihr Manfred Wörnle

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